Pädophile werden von der Boulevardpresse, an Stammtischen und von einer bestimmten Sorte von „KinderschützerInnen“ als „Kinderschänder“ und „Psychopathen“ angeprangert und mit Triebtätern, Ver- gewaltigern und Sexualmördern in einen Topf geworfen. Der Familientherapeut KLAUS-PETER DAVID vom ,Kinderschutzzentrumʽ in Kiel schlägt vor, „»Pädophilen (...) die richtige Begrifflichkeit zukommen zu lassen und sie als ›Kinderficker‹ zu bezeichnen«“ (David, zit. in: Bange und Enders 1995). Entspre- chend sind die Antworten bei Befragungen, wenn danach gefragt wird: „Was fällt Ihnen zum Begriff Pä- dophilie spontan ein?“ Die Anworten sind ausschließlich geprägt durch Negativbezüge. Am häufigsten wird erwidert: „Missbrauch“, „Vergewaltigung“, „Kinderficker“, „Kinderpornografie“ und „Sex-Touris- mus“. Auf die Frage, wie mit Pädophilen umzugehen sei – dass sie Sex mit Kindern haben wird ihnen prinzipiell unterstellt –, werden drakonische Strafmaßnahmen gefordert, von „lebenslangem Wegsperren“ über „Kastrierung“ bis hin zu „öffentlicher Hinrichtung“ (vgl. taz, 21.11.1996; Zweifel 2012). Am liebsten würde man diese verhasste Randgruppe „radikal ausrotten“ und nicht wenige bedauern, dass es – zumin- dest für solche „Unmenschen“ – keine KZs mehr gibt, um die Gesellschaft „pädophilenrein“ zu machen. „Wieder scheinen sich viele nach dieser Scheinsicherheit einer – diesmal nicht reinrassigen – aber wenig- stens von gefährlichen, gestörten Persönlichkeiten gesäuberten Gesellschaft zurückzusehnen“ (Zihlmann 2012). Ein allgemeiner Antipädophilismus hat sich auf breiter Ebene und in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgebreitet. Von einem menschlichen Verständnis, geschweige denn einer öffentlichen Toleranz, ist die Gesellschaft Lichtjahre entfernt. „Wut und Haß zu äußern, fällt leichter, weil es gesellschaftlich legitimer ist. Wer macht sich schon die Mühe, seinen eigenen begründeten oder unbegründeten Ängsten auf den Grund zu gehen und warum auch? Es ist doch bequemer, die eigene Angst mit der »Abartigkeit« anderer zu begründen, als mit den eigenen ganz persönlichen – auch sexuellen – Ursachen“ (Tillmanns 1994). HORST VOGT konstatiert: „Bei pädophil orientierten Menschen handelt es sich nicht nur um Angehörige einer sexuellen Minderheit, die sozial isoliert ist. Sie stellt unter den Etiketten der »Kinderschänder« und »Kinderficker« mit hoher Wahrscheinlichkeit die am meisten geächtete Randgruppe der Gesellschaft dar“