Warum gelten für hochbegabte und kreative Geister beim Unternehmen andere Regeln? Weil sie oft nur ein indirektes Interesse an finanziellen Gewinnen haben. Sie sind keine Geschäfts-Leute. Begriffe wie Gewinnmaximierung lassen ihre Herzen nicht schneller schlagen. Sie haben andere Motive. Aus der eigenen Erfahrung, dem eigenen Wissen heraus stellen sie sich persönliche Ziele. Diese Ziele sind nicht willkürlich. Es sind Ziele, die im Laufe des Lebens gewachsen und mit der eigenen Persönlichkeit verbunden sind. Sie lassen sich mit zwei Begriffen beschreiben: Weltverbesserung und Kreativer Prozess. Weltverbesserung beinhaltet, dass man eine positive Vision hat, wie diese Welt aussehen könnte und dass man sich dafür einsetzen will, dass diese vorgestellte bessere Welt verwirklicht wird. Dies ist kein freibleibendes Spiel für dass man sich nach Belieben hin und wieder einsetzen kann. Wer mit einer solchen Vision durch die Welt läuft, wer über einen starken Gerechtigkeitssinn und ein entwickeltes soziales und moralisches Bewusstsein verfügt, der kann nicht anders, als sich gegen Unrecht und für Weltverbesserung einsetzen. Geld verdienen ist auf der Skala moralischen Bewusstseins auf einem recht niedrigen Niveau angesiedelt. Viele hochbegabte und hochkreative Menschen lassen dieses Niveau schon in jungen Jahren hinter sich und wenden sich höheren Zielen zu. Mit diesen Zielen können sie aber besser nicht bei den Seminaren der Industrie- und Handelskammer oder dem durchschnittlichen Unternehmensberater ankommen. "Weltverbessern" und "ideell" werden dort als schmutzig und widernatürlich aufgefasst. Und "nicht am Gewinn interessiert sein" bedeutet dort, nicht Ernst genommen, als Hobby-Unternehmer oder schlicht für dumm angesehen zu werden. Ähnlich geht es den Kreativen, die einerseits noch suspekter sind. Während Weltverbesserer immerhin noch konkrete Ziele aufweisen können, müssen Kreative sich auf den Kreativen Prozess einlassen, der eben nicht in eine schon bekannte Richtung führt. Planen lässt sich Kunst nicht. Kreativen Menschen geht es bei der Arbeit um Authentizität und darum dem Ruf, den sie hören zu folgen, und einen inneren Auftrag auszuführen. Einen Auftrag, den sie spüren, obwohl sie ihn nicht in Worte fassen können. Oft sind dies Prozesse, die nicht nur im Künstler selbst sondern in der Gesellschaft noch unbewusst sind. Dann eben entsteht Kunst: wenn etwas noch nicht gesagt werden kann, weil es noch nicht ins Bewusstsein treten darf. Aber schon spürbar, schon erfahrbar ist. Jetzt zum Andererseits: die gute Nachricht für Kreative mag sein, dass auch bei den Schnelles-Geld-Geistern der meisten Unternehmerseminare schon die Idee angekommen ist, dass mit Kunst Geld verdient werden kann. Ein neuer Harry Potter, ein neuer Van Gogh - klar spinnen tun sie die Künstler aber mit ein bisschen Vermarktung lassen sich Millionen verdienen. Ganz suspekt sind Kreative erst dann, wenn sie offen aussprechen, dass sie nicht vermarktet werden wollen. Dass sie gar nicht wissen wollen, "wofür es einen Markt gibt", weil sie fürchten, sich durch dieses Wissen beeinflussen zu lassen. Und dass "Vermarktung" das Ende von Kreativität und Kunst bedeutet.