"Ich kann mich nicht gut verkaufen". Wie oft hab ich den Satz schon gehört! Aus dem Mund von Künstlern, Kreativen, Hochbegabten und geladen mit tiefer Verachtung gegenüber der eigenen Persönlichkeit. Ich rede hier von Leuten mit hohen moralischen Ansprüchen, mit einem starken sozialen Bewusstsein. Leuten, die Coca Cola und Microsoft boykottieren, seit sie No Logo von Naomi Klein gelesen haben. Leuten, die sich regelmäßig über Werbetexte ärgern, nie die Bildzeitung lesen würden und sich über amerikanische Bestseller wie "In 8 Schritten zum Erfolg" totlachen. Von Leuten, die sich für soziale Arbeitsbedingungen, gegen moderne Sklaverei und für fairen Handel einsetzen. Und genau diese wunderbaren Menschen werfen sich trotzdem selbst vor, dass es ihnen nicht gelingt "sich" zu verkaufen oder sich selbst zur Marke zu machen (denn das versteht man ja unter Selbstmarketing). Sie verachten sich dafür, dass sie es nicht schaffen, ihre Ideen in kurzen, prägnanten Slogans aufs Papier zu bringen oder in bunten poppigen Modellen mit 5 Buchstaben zu verpacken. Dass ihre Produkte nicht in die marktgängien Formen und Verpackungen passen. Wir haben es hier mit einigen tiefgreifenden Missverständnissen zu tun: Erstens ist es unmöglich mit etwas erfolgreich zu werden, woran man nicht glaubt. Und die kreativen und begabten Geister, von denen ich hier schreibe, glauben tief in ihrem Herzen nicht ans Selbst-Marketing. Sie wollen gar keine Marke werden. Eine Marke hat schließlich nichts mit der wirklichen Qualität des Produktes zu tun, sondern ist das Resultat von manipulativen Werbestrategien, die Leute abhängig machen. Genau das Gegenteil von fairem Handel. Weil sie nicht ans "sich verkaufen" und ans "Marketing" glauben, machen diese kritischen Geister es halbherzig und ungeschickt. Sie bauen quasi unbewusst schon ihr eigenes Scheitern ein. Zweitens will niemand auf dem Markt - weder Kunden noch Arbeitgeber - wirklich "mich" oder "dich" kaufen. Wenn sie schon jemanden kaufen würden, dann doch eher eine unkomplizierte Frohnatur und nicht so einen megakomplexen, hochkomplizierten multischrägen Kreativgeist. Sie wollen also nicht das was drinnen ist, sondern nur die Hülle. Und auch davon nur die polierten Stellen, nicht die Narben und auch lieber keine Tattoos. Drittens geht es also nicht darum "sich" zu verkaufen. Sondern - je nachdem - Ideen, Projekte, Fähigkeiten, Erfahrung, Dinge oder Wissen. Bevor man auf den Markt geht, um etwas anzubieten, ist es enorm wichtig, herauszufinden, welche Art von Arbeit man verrichten will, was genau das Produkt ist. Das klingt viel leichter als es ist. Hier lauern reichlich Stolpersteine und hier schon scheitern viele Ausflüge auf den Markt.