- Die Feststellung, von Kindern erotisch angezogen und sexuell erregt zu werden, ist für viele Betreffende anfangs eine erschreckende und beschämende Entdeckung (vgl. Wilson und Cox 1983; Vogt 2006; Goode 2010). Zu tief sitzt das verinnerlichte Urteil des sozialen Umfelds, dass es sich dabei um einen krankhaften, perversen oder sündigen Trieb handeln müsse. Verbotene Gedanken und Fantasien lassen daher oftmals bedrückende Schuldgefühle entstehen. Viele stürzt die Bewusstwerdung, pädophil zu empfinden, in eine existenzielle Krise. Sie fragen sich: „Was ist los mit mir?“ und versuchen den Grund für die verstörenden Gefühle, Fantasien und Wünsche ausfindig zu machen. Als Nächstes stellt sich die Frage nach dem richtigen Verhalten. Die Ablehnung der Gesellschaft wird dabei spürbar wahrgenommen. Pädophile leben mit der ständigen Angst, herausgefunden und an den Pranger gestellt zu werden. Sie befürchten, Verwandte, Freunde und Bekannte könnten ihr „ungewöhnliches“ Interesse an Kindern bemerken, weshalb sie gerade im Umgang mit ihnen bisweilen sehr befangen sind. Aber selbst das Zusammensein mit Erwachsenen kann belastend sein. „Selbstverständlichkeiten im Alltag und »small talk« im Beruf (z.B. Austausch mit Bekannten über bevorzugte Filme, Romane, Freizeitinteressen, ... usw.) sind aufgrund von Enttarnungsgefahr erheblich belastet und eingeschränkt. Es ist offenbar unumgänglich sich ein »zweites Gesicht« anzueignen“ (Vogt 2006). Infolgedessen ziehen sich so manche pädophil Empfindende aus dem sozialen Leben zurück. Irgendwann wird jedem Betroffenen klar, dass die erotischen, auf Kinder bezogenen Vorstellungen und Wünsche keine vorübergehende Phase sind, sondern das bestimmende Element ihres psychosexuellen Fühlens und Verlangens. Eine solche Bewusstwerdung führt zu einem völlig neuen Selbstverständnis. Die britische Soziologin SARAH D. GOODE beschreibt die Situation so: „Angesichts ihrer außerordentlichen Stigmatisierung, ist die Akzeptenz einer pädophilen Identität (für jeden der Betreffenden; d. Verf.) ein bedeutender Schritt, der vielmals zur Folge hat, sich abgetrennt zu sehen von der Gesellschaft, seinen Freunden und seiner Familie, die das Geheimleben und die verborgene Identität oft nicht bemerken“ (Goode 2010).